OVID-Eiweißstrategie 2.0

Neue Herausforderungen im Jahr 2019

Deutschland verfügt über eine moderne tierische Veredelungswirtschaft, die in der Lage ist, die Nachfrage der heimischen, europäischen und globalen Märkte nach Milch und Molkereierzeugnissen sowie nach Fleisch, Fleischerzeugnissen und Eiern in hoher Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu bedienen. Die aus der Nachfrage resultierende dauerhafte Wertschöpfung aus der tierischen Veredelungswirtschaft in unseren ländlichen Regionen verdanken wir einer gesicherten Versorgung mit qualitativ hochwertigen Eiweißfuttermitteln. Diese sind für eine bedarfsdeckende, tiergerechte Eiweiß- und Aminosäurenversorgung unerlässlich.

Unter den heimischen Eiweißfuttermitteln gilt Rapsschrot nach wie vor als unangefochtener Spitzenreiter und das aus gutem Grund: Da die Rapspflanze neben Rapsschrot auch -öl liefert und sie zudem als Blattfrucht ein wichtiges Fruchtfolgeglied darstellt, ist sie ökonomisch und ökologisch besonders leistungsfähig. Mehr als drei Viertel des heimischen Proteins stammten noch 2014 aus dieser Ölfrucht, bezogen auf die Gesamtproteinmenge der heimischen Eiweißfuttermittel. Seitdem haben sich die deutschen Rapserträge allerdings nahezu halbiert. Infolgedessen ist auch der Rückgang des Selbstversorgungsgrades an Proteinfuttermitteln von 40 % auf nur noch 28 % zu beklagen, die sogenannte „Eiweißlücke“ ist wieder größer geworden! Dabei gelten Deutschland und Europa als Gunststandort für Raps. Was kann und muss getan werden, um in der Selbstversorgung wieder aufzuschließen? Welchen Beitrag muss die Politik in Berlin mit Blick auf die besondere Rolle von Raps leisten?

Aus Sicht der Bundesregierung sind die Körnerleguminosen das geeignete Mittel, um die „Eiweißlücke“ zu verkleinern. Deshalb wird deren Anbau seit Jahren mit beachtlichen finanziellen Mitteln gefördert. Beispiel dafür ist die vom BMEL bereits 2013 gestartete nationale Eiweißpflanzenstrategie. Dazu wurden inzwischen Netzwerke für Soja, Lupinen und Ackerbohnen / Erbsen etabliert. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist der politische Wille formuliert, „die Attraktivität des Anbaus von Eiweißpflanzen im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie zu erhöhen“. Es lohnt sich allerdings zu hinterfragen, ob diese Strategie der Bundesregierung mit den bisher von ihr initiierten Maßnahmen tatsächlich zielführend im Sinne der Verringerung der „Eiweißlücke“  ist.

Zentral in der Debatte um die Deckung des Proteinbedarfes ist auch die Frage nach der Versorgung mit Soja. Denn Sojaschrot gehört neben Rapsschrot zu den wichtigsten verwendeten Eiweißfuttermitteln in Deutschland. Ein großer Teil der Versorgung mit Soja hierzulande, aber auch in der EU, wird über Importe aus Nord- und Lateinamerika sichergestellt. Bei der Proteinversorgung werden somit die wichtige Rolle des internationalen Agrarhandels und die besondere Bedeutung offener Handelsbeziehungen deutlich. Allerdings sind diese Importe zunehmend in den Blickpunkt gesellschaftlicher Debatten gerückt, die vornehmlich um die Themen Gentechnik (GVO) und Regenwaldrodungen kreisen. Sowohl bei Politikern als auch bei Nichtregierungs-Organisationen (NGO) wird daher der Ruf nach entwaldungsfreien Lieferketten sowie nach Rückverfolgbarkeit der importierten Sojamengen lauter. Mit welchen Maßnahmen stellt sich die Wertschöpfungskette diesen Herausforderungen und werden diese Bemühungen eigentlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Auf der Suche nach neuen Quellen der Proteinversorgung für Mensch und Tier werden des Weiteren zunehmend Insekten und Insektenprodukte als Lösungsansatz ins Spiel gebracht. Welches Potential und welche Risiken bergen diese? Kann das heimische Proteinangebot über Insekten gestärkt und damit der Soja-Importbedarf reduziert werden?

Vor diesen skizzierten Hintergründen wird deutlich, dass die Frage nach der Zukunft der optimalen Eiweißversorgung einer differenzierten und sachlichen Betrachtung bedarf. Aufgrund der in der öffentlichen Diskussion mitunter nicht dargestellten Zusammenhänge sieht sich OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V. in der Verantwortung, mit der hier vorgelegten Eiweißstrategie 2.0 einen faktenbasierten und ausgewogenen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten.