Grain Club: zu neuen Züchtungsmethoden

Das anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung, steigende Einkommen und daraus resul-tierende Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten werden zusammen mit der fortschreitenden Urbanisierung laut FAO bis 2050 zu einem Anstieg der Nachfrage nach Nahrungsmitteln um etwa 60 Prozent führen. Um diese Nachfrage befriedigen zu können, muss si-chergestellt werden, dass die Agrarproduktion parallel dazu steigt. Angesichts knapper werdender Ressourcen wie Boden und Wasser und sich verändernder klimatischer Bedingungen wird dies nur gelingen, wenn Innovation und technischer Fortschritt zielgerichtet genutzt werden.

Eine besondere Rolle kommt dabei dem Fortschritt in der Pflanzenzüchtung zu. Um Ernteausfälle zu minimieren, müssen Nutzpflanzen möglichst schnell und effizient widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge, aber auch gegen Hitze und Wassermangel werden. Gleichzeitig gilt es, die Erträge mit weniger Pflanzenschutz- und Düngemitteln zu steigern. Züchtungsfortschritt ist unabdingbarer Bestandteil der notwendigen nachhaltigen Intensivierung der Agrarproduktion.

In den letzten Jahren hat sich in der Pflanzenzucht eine Reihe innovativer und präziser Züchtungsmethoden entwickelt, die einen schnelleren und effizienteren Züchtungsfort-schritt erlauben. Die sogenannten „Neuen Züchtungsmethoden“ (New Breeding Techni-ques = NBT) bergen erhebliches Potenzial für eine produktivere und nachhaltigere Agrarwirtschaft.

Der Grain Club beobachtet mit Sorge die aktuelle Diskussion um die rechtliche Bewertung dieser neuen Züchtungswerkzeuge, mit der Forderung, diese grundsätzlich analog zur EU Gentechnikgesetzgebung zu regulieren.

Die EU-Kommission hat mehrere wissenschaftliche Gremien mit der Bewertung und Einordnung der NBT beauftragt. Eine Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedstaaten und das Joint Research Centre kommen zu dem Schluss, dass die Mehrzahl der NBT nicht als GVO zu beurteilen ist, da sich die Pflanzen nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheiden. Auch die national zuständige und beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angesiedelte „Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit“ (ZKBS) stützt diese Position. Im Gegensatz zur Gentechnik nach derzeit bestehendem Recht, werden bei den meisten NBT keine Gene zwischen Organismen übertragen. Es werden stattdessen Veränderungen innerhalb des Genoms eines Individuums erzeugt, wie sie auch auf natürlichem Wege oder mit Hilfe herkömmlicher Züchtungsmethoden ent-stehen könnten. Der Vorteil gegenüber klassischen Verfahren besteht darin, dass dies mit Hilfe der neuen Züchtungsmethoden präziser und schneller und damit effizienter erfolgen kann.

Die EU-Kommission beabsichtigt im Laufe des Jahres 2016 rechtsverbindliche Leitlinien für den Umgang mit den NBT zu veröffentlichen. Nach Auffassung des Grain Clubs müssen die Leitlinien, Rechtssicherheit für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette gewährleisten, indem der Großteil der NBT den Ergebnissen der Expertengremien folgend, nicht durch gentechnikrechtliche Genehmigungsauflagen erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.

Sollten die Ergebnisse der Expertengremien ignoriert werden, hätte dies erhebliche negative Konsequenzen für den Agrarstandort EU und für die in der Pflanzenzüchtung tätigen Unternehmen zur Folge:

  • Kleine- und mittelständische Pflanzenzüchter werden diese Methoden wegen des dann enormen und damit teuren Regulierungsaufwandes nicht nutzen können und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stark eingeschränkt werden.
  • Unternehmen, Wissen und Innovation werden aufgrund unpraktikabler und unkalkulier-barer rechtlicher Rahmenbedingungen weiter verstärkt in Nicht-EU-Länder abwandern.
  • Die Zahl der innovativen Züchter in der EU wird abnehmen. Dies verringert den Wettbewerb, führt zu weiterer Marktkonzentration und abnehmender Sortenvielfalt.
  • Das Angebot von in der EU entwickelten und auf die hiesigen Anforderungen von EU-Landwirten, EU-Verarbeitern und EU-Verbrauchern zugeschnittenen Produkten wird empfindlich eingeschränkt.

Zudem befürchtet der Grain Club mittelfristig erhebliche Probleme bei der Versorgung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der EU mit dringend benötigten Agrarrohstoffen. Die neuen Verfahren werden in den USA und in anderen Exportländern bereits kommerziell genutzt. Gleichzeitig sind die meisten Produkte aus den neuen Methoden aber nicht von konventionellen Erzeugnissen zu unterscheiden, der Unterschied ist analytisch nicht nachweisbar. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit beim Import bzw. beim Inverkehrbringen in der EU würde zu enormen Handelsproblemen führen und die Versorgung der Ernährungswirtschaft mit notwendigen Importrohstoffen massiv gefährden.

Der Grain Club fordert die Politik auf, sich im Sinne einer innovativen, vielfältigen und damit wettbewerbsstarken, Agrarwirtschaft für einen sachgerechten Umgang mit der Präzisionszüchtung einzusetzen. Auf Basis des bestehenden Rechts muss zeitnah deren rechtssichere Anwendung in der Praxis gewährleistet werden.