Geplante Absenkung der Kappungsgrenze für Biokraftstoffe

Konsequenzen für Energieversorgung, Ernährungssicherheit und Klimaschutz in Deutschland

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in den ersten Monaten des vergangenen Jahres zu erheblichen Preissteigerungen auf den weltweiten Agrarmärkten, insbesondere bei Getreide, Ölsaaten und Pflanzenöl, geführt. Die Marktsituation hat sich inzwischen nicht nur entspannt, im Gegenteil: Große Mengen aus der Ukraine exportiertes Getreide in die Nachbarländer führen, wie z. B. in Polen, zu Überschüssen, die inzwischen den Marktpreis unter die Wirtschaftlichkeit des Anbaus drücken.

Trotz dieser Marktsituation hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), unterstützt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), mit der Begründung stark gestiegener Preise und einer Verknappung des Angebotes für Agrargüter im Januar 2023 einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des BundesImmissionsschutzgesetzes vorgelegt. Dieser sieht vor, die Obergrenze zur Anrechnung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse am Endenergieverbrauch (Straße und Schiene) von bislang 4,4 auf 2,3 Prozent in 2024 und danach schrittweise auf null Prozent in 2030 zu reduzieren. Gleichzeitig soll der bislang gesetzlich festgeschriebene Anstieg der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) für die Jahre 2024 bis 2026 abgeschwächt werden. Dies dient nach Ansicht des BMUV der Kompensation zur Erfüllung der THG-Quotenverpflichtung - genauso wie die Anhebung der Anrechnungsfaktoren für Strom (von 3- auf 4-fach), Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen (E-Fuels, von 2- auf 3-fach) und die Verlängerung der Anrechnung von Emissionsminderungen bei der Erdölförderung, den sogenannten Upstream Emission Reduction-Maßnahmen, bis 2028. De facto führt dies zu einer Einschränkung des Klimaschutzes im Verkehr.

Das Leid der ukrainischen Bevölkerung und die Sicherung der globalen Ernährung verpflichten zu internationaler Solidarität. Gleichzeitig gilt unsere gemeinsame Sorge auch den Auswirkungen des Konfliktes auf Europa, der Energie- und Versorgungssicherheit sowie dem Klimaschutz in Deutschland. Die erst im Jahr 2022 erfolgte signifikante Reduzierung der Obergrenze zur Anrechnung von 6,5 auf 4,4 Prozent für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse ist das Ergebnis der Gesetzgebung zur nationalen Umsetzung der Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED II) und damit eines politisch verantwortungsvollen und von der Biokraftstoffwirtschaft mitgetragenen Kompromisses. Durch den aktuellen Gesetzentwurf des BMUV soll jetzt nicht nur die Handbremse bei der Ausschöpfung des Klimaschutzpotenzials nachhaltiger Biokraftstoffe gezogen werden. Gleichzeitig wird auch das Vertrauen der betroffenen Wirtschaftskreise in verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen für erneuerbare Kraftstoffalternativen untergraben. Biokraftstoffe sind derzeit das einzig verfügbare Instrument zur dringend notwendigen Defossilisierung der bis zum Jahr 2030 noch ca. 45 Millionen Fahrzeuge umfassenden Bestandsflotte mit Verbrennungsmotoren.