Pressekonferenz: Ölmühlen verkleinern Eiweißlücke

Kann Deutschland auf gentechnikfreies Tierfutter umstellen? OVID hat nachgerechnet. Raps leistet bereits den größten Beitrag zur Eiweißversorgung. Ein kompletter Verzicht auf genverändertes Soja aus Übersee wäre aber teuer und unrealistisch.

„Eine umfangreichere Bereitstellung von gentechnikfreien Futtermitteln, wie zuletzt vom Lebensmitteleinzelhandel gefordert, wäre auf lange Sicht möglich. Das gelingt aber nur, wenn genügend Anreize wie die Anerkennung und der finanzielle Ausgleich des Mehraufwandes in der Lieferkette klar geregelt sind.“ Dies stellte Petra Sprick, Geschäftsführerin von OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland zum Messeauftakt der EuroTier in Hannover heute fest. Sprick weiter: „Zusätzlich benötigen wir einen stärkeren Anbau von Raps und Soja in Europa sowie höhere Importmengen an zertifiziertem nicht-gentechnisch veränderten Soja. Ein vollständiger Verzicht auf Gentechnik im deutschen Tierfutter würde jedoch die Konkurrenz um verfügbare Agrarrohstoffe enorm verschärfen und zu erheblichen Mehrkosten führen.“

Jährlich verfüttern deutsche Bauern knapp 10 Millionen Tonnen Proteinfuttermittel. Darin sind etwa 3,7 Millionen Tonnen pflanzliche Rohproteine enthalten. Rund 1,3 Millionen Tonnen, also rund 35 Prozent, stammen aus heimischer Produktion. Die fehlenden 65 Prozent, auch „Eiweißlücke“ genannt, importiert Deutschland größtenteils in Form von gentechnisch verändertem Soja überwiegend aus Brasilien.

„Der Handel mit Agrarrohstoffen ist Zeichen einer effizienten Nutzung global knapp werdender Agrarflächen. Jede Pflanze hat ihre Gunstregionen auf der Welt. So gedeihen Weizen und Raps in Europa am besten und Soja in Nord- und Südamerika“, so Sprick. Nach Analyse von OVID könnte die Europäische Union rein rechnerisch eine Menge von 9,3 Millionen Tonnen gentechnikfreien Sojabohnen auf dem Weltagrarmarkt beziehen. Daraus ließen sich 7,4 Millionen Tonnen Sojaschrot zur Fütterung von Rindern, Schweinen und Geflügel gewinnen. Auch diese Menge könnte nur knapp ein Viertel der europäischen Nachfrage von jährlich 33 Millionen Tonnen Sojaschrot decken. Tatsache ist, dass inzwischen 90 Prozent der weltweit verfügbaren Sojabohnen gentechnisch verändert sind. Deutschland könnte zwar theoretisch im Alleingang auf gentechnisch veränderte Futtermittel verzichten. Dies hätte jedoch nach einer Studie des Gießener Institutes für Agribusiness (IAB) massive wirtschaftliche Einbußen von bis zu zehn Milliarden Euro zur Folge. Diese sind im Wesentlichen durch Produktionsrückgänge, der Verlagerung von Produktion ins Ausland und damit dem Verlust an Wertschöpfung begründet. Aus Sicht von OVID wäre besonders die Trennung der Warenströme zur Vermeidung von unbeabsichtigten Vermischungen mit genveränderten Pflanzen eine logistische Herausforderung, die rechtliche Risiken birgt.

Vor diesem Hintergrund wird seit einigen Jahren der europäische Soja-Anbau als heimische Alternative zum gentechnisch veränderten Proteinfuttermittel aus Übersee vorangetrieben. 2015 wuchsen knapp 2,8 Millionen Tonnen Sojabohnen in Europa. Aus dieser Menge lassen sich theoretisch rund 2,2 Millionen Tonnen Sojaschrot produzieren. Der Bedarf in Europa liegt aber mit 33 Millionen Tonnen fünfzehnmal höher. Europäisches Soja aus dem Donauraum wird seit kurzem auch bei ADM in Straubing verarbeitet. Dazu René van der Poel, General Manager der Ölmühle: “Wir stellen eine steigende Nachfrage nach gentechnikfreiem Soja in Deutschland fest. Mit der Umstellung unserer Ölmühle können wir die Bedürfnisse unserer Kunden vor allem in Süddeutschland bedienen.“

Wichtigste deutsche Eiweißfutterpflanze ist Raps. 2015 verfütterten die deutschen Bauern erstmals mehr Raps- als Sojaschrot. „Rapsschrot leistet mit einem Anteil von 80 Prozent den größten Beitrag, um die Eiweißlücke in Deutschland zu verkleinern. Ohne den deutschen Rapsanbau wäre die Lücke um ein Vielfaches größer“, so Dr. Thomas Schmidt, Leiter der Abteilung Futtermittel und Tierernährung bei OVID. Schmidt bekräftigte: „Bei aller Euphorie und den guten Entwicklungen beim Raps- und Sojaanbau in Europa bleibt es unrealistisch die deutsche Eiweißlücke vollständig zu schließen. Auch der geförderte Anbau von Körnerleguminosen kann die Situation nur marginal verbessern. Er wäre hinsichtlich einer effizienten Flächennutzung und im Sinne des Klimaschutzes auch nicht sinnvoll“.“