Wirtschaft fordert Aktualisierung des Gentechnikrechts
In einem Offenen Brief fordern 23 Verbände der Agrar- und Ernährungswirtschaft die deutsche Politik auf, das veraltete EU-Gentechnikrecht an den Stand der Wissenschaft anzupassen und damit Rechtssicherheit im Agrarhandel zu gewährleisten.
Am 25. Juli 2018 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass alle mit neuen Züchtungsmethoden wie zum Beispiel CRISPR/Cas9 erzeugten Pflanzen pauschal als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind. Die Bilanz der Pflanzenzüchter ein Jahr nach dem Urteil des EuGH ist ernüchternd. Dr. Heinrich Böhm, Geschäftsführer der Kartoffelzucht Böhm: „Mit dem Urteilsspruch, der jegliche Anwendung neuer Züchtungsmethoden pauschal als GVO einstuft, sind die vielversprechenden Techniken für unsere vorrangig mittelständisch geprägte Branche für die Produktentwicklung de facto nicht mehr anwendbar”. Pflanzen, die mit Hilfe neuer Methoden erzeugt wurden, sich aber von klassisch gezüchteten oder durch natürliche Mutation entstandenen Pflanzen nicht unterscheiden, sollten nicht als GVO eingestuft werden. Böhm weiter: „An dieser Stelle stimmt das Gesetz einfach nicht mehr mit der biologischen Realität überein und muss angepasst werden”.
Zwei Dürresommer hintereinander: Die Landwirtschaft spürt den Klimawandel bereits. Um Ernteausfälle zu minimieren, sind zügig widerstandsfähige Sorten gefragt, die mit den sich rasant ändernden klimatischen Bedingungen zurechtkommen. Die neuen Züchtungsmethoden besitzen das Potential, in relativ kurzer Zeit zur Lösung solcher Herausforderungen beizutragen. Marco Gemballa, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Zinzow: „Unsere Region leidet schon heute unter Klimaextremen. Ohne angepasste Pflanzensorten wird für uns Landwirtschaft immer häufiger zum Lotteriespiel. In dieser brisanten Situation wäre es schlicht fatal, auf dieses innovative Werkzeug zu verzichten”.
In vielen Ländern außerhalb der Europäischen Union sind die neuen Züchtungsmethoden Alltag; Produkte werden weder reguliert noch gekennzeichnet. Für die Einfuhr nach Europa gilt jedoch eine Genehmigungs- und Kennzeichnungspflicht. Da aber gerichtsfeste Nachweisverfahren für solche Produkte nicht existieren, ist eine Kontrolle unmöglich. Das stellt Rohstoffhändler und die gesamte Wertschöpfungskette vor große Herausforderungen. „Damit die internationalen Handelsströme weiterhin funktionieren und die Versorgungsmärkte nicht gefährdet werden, müssen die Bestimmungen zu agrarischen Rohstoffen verschiedener Weltregionen miteinander kompatibel sein”, so Dr. Oliver Balkhausen, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung bei Archer Daniels Midlands (ADM).