Veraltetes EU-Gentechnikrecht hat Auswirkungen auf Raps
Berlin, 24.07.2020. Vor zwei Jahren stufte der Europäische Gerichtshof (EuGH) neuartige Pflanzenzüchtungstechniken der Genomeditierung wie CRISPR-Cas9, auch als “Genschere” bekannt, pauschal und ohne wissenschaftliche Begründung als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ein. Darauf aufbauend entschied im Februar 2020 das oberste Verwaltungsgericht in Frankreich, dass Organismen, welche aus bestimmten konventionellen und als sicher geltenden Zufallsmutagenese-Techniken gewonnen wurden, ebenfalls als GVO einzuordnen sind. Diese Entscheidung weicht allerdings vom EuGH-Urteil ab, welches besagt, dass die aus Zufallsmutagenese gewonnenen Produkte seit langem in der Praxis genutzt werden und deshalb als sicher gelten. Diese Technik müsste somit nicht als GVO geregelt werden. Eine gesetzliche Verankerung des französischen Vorschlags hätte europaweite Auswirkungen auf Anbau, Verarbeitung und Handel mit konventionell gezüchteten Rapssorten. Ölmühlen beziehen Nicht-GVO-Rohstoffe, darunter auch die im französischen Vorschlag aufgeführten Sorten, sowohl aus EU- als auch aus Drittstaaten, in denen diese nicht als GVO gelten.
Bereits seit über 40 Jahren werden Kulturpflanzen mithilfe von Zufallsmutagenesen erfolgreich und sicher weiterentwickelt. Eine der bekanntesten Sorten ist “Clearfield-Raps”. Dieser wird seit 1995 in Kanada, seit 2011 in Europa und seit 2012 auch in Deutschland angebaut und fiel bisher nicht unter die GVO-Regelung. “Mit dieser allein auf Frankreich bezogenen neuen Einordnung wären Anbau und Inverkehrbringen von seit Jahren bewährten Rapssorten dort praktisch unmöglich – mit gravierenden Auswirkungen auf den innereuropäischen Handel, die Rapsverarbeitung hierzulande und die gesamte Wertschöpfungskette”, warnt OVID-Präsidentin Jaana Kleinschmit von Lengefeld.
Deutschland importierte 2019 rund 1,4 Millionen Tonnen Raps aus Frankreich. Das entspricht einem Viertel der Gesamtimporte. Raps wird als Massengut gehandelt und transportiert. Die importierten Mengen kommen aus unterschiedlichen Regionen in den Herkunftsländern. Ein rechtssicheres Nachweisverfahren zur Bestimmung einer Sorte und der angewandten Züchtungsmethode gibt es für die zur Debatte stehenden Mutageneseverfahren nicht. “Für einen weiterhin funktionierenden freien Verkehr von landwirtschaftlichen Produkten muss das veraltete EU-Gentechnikrecht zügig an den Stand der Wissenschaft angepasst werden. Das französische Vorgehen bestätigt diese Notwendigkeit. Bewährte Züchtungsmethoden dürfen durch solche Alleingänge nicht plötzlich unter eine rigide Regulierung gestellt werden, trotz jahrelangem Anbau in der EU. Ein an der Wissenschaft ausgerichtetes, modernes europäisches Gentechnikrecht würde Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nicht nur innovativer und wettbewerbsfähiger, sondern vor allem auch nachhaltiger machen und zur Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie beitragen,” so Kleinschmit von Lengefeld abschließend.
Wie die Verbände-Allianz Grain Club appelliert auch OVID an die Bundesregierung, nationale Alleingänge bei der Bewertung von Pflanzenzüchtungsmethoden mit weitreichender gesamteuropäischer Auswirkung zu verhindern, um einen störungsfreien europäischen Binnenmarkt für Agrarrohstoffe und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.